Page 7 - Basler Woche Grossbasel - KW 45 - 2022
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DIENSTAG, 8. NOVEMBER 2022 SEITE 7
Wasserknappheit: DIE STIMME DER KMU UND DER WIRTSCHAFT
Jetzt vorsorgen
Mangelndes
Risiko-Management
Kommt nun die Energiemangellage
oder nicht? In den Medien wird viel
über die Wahrscheinlichkeit ihres Ein-
tretens diskutiert. Viel wichtiger wäre
aber, ihr Risiko zu managen. Dafür
braucht es viel mehr Koordination.
Risiko ist das Resultat von Eintritts-
wahrscheinlichkeit und potenziellem
Schaden. Risikomanagement muss
damit beide Elemente ansprechen.
Für die Energiemangellage heisst das:
Einerseits muss man die Eintritts-
wahrscheinlichkeit senken. Die Auf- Bild: zVg
Bild: Gemeinde Untervaz
rufe zum Energiesparen gehören ZUR PERSON:
Befestigter Warteplatz mit Brunnen auf der bündnerischen Hinteren Alp. dazu. Noch wichtiger ist der Ausbau Henrique Schneider ist Verleger
der Produktionskapazitäten für elek- der Umwelt Zeitung. Der ausge-
Die Alpzeit ist vorbei. Und sie war Regen- und Schmelzwasser ausreichen. trischen Strom. Andererseits müs- bildete Ökonom befasst sich mit
fast überall von Trockenheit geprägt. Als dessen Menge zurückging, hatte die sen Massnahmen eingeleitet werden, Umwelt und Energie aber auch
Vielen Alpen ging das Wasser aus Alp ein Problem. Ein neuer Speichersee damit der potenzielle Schaden mög- mit Wirtschafts- und internationa-
und musste teils gar per Helikopter brachte nun eine deutliche Entspannung lichst klein bleibt, wenn die Mangel- ler Politik.
eingeflogen werden. Um dies in Zu- der Situation. Die drei weiteren vorge- lage eintritt.
kunft trotz Klimawandel zu verhin- stellten Beispiele befinden sich in Muo-
dern, zeigen die Schweizer Berghilfe tathal/SZ, Plaffeien/FR und Untervaz/GR. Die Schweizer Wirtschaft wurde früh
und die landwirtschaftliche Bera- aktiv. Im Mai unterbreitete sie dem von der Stromwirtschaft allein be-
tungszentrale Agridea auf, mit wel- «Nicht auf den nächsten Bundesrat umfassende Vorschläge herrschte Amt will die Wirtschaft zum
chen Massnahmen Alpbetriebe jetzt trockenen Sommer warten» zur Verbesserung der Versorgungssi- Energiesparen verpflichten. Aber ein
für kommende Hitzesommer vorbeu- Die durch den Klimawandel ausgelös- cherheit der Schweiz mit elektrischem Entgegenkommen will es nicht zei-
gen können. Dabei kann die Schwei- ten Herausforderungen sind also je nach Strom. Damit hätte die Eintrittswahr- gen. Es lässt sogar die Möglichkeit of-
zer Berghilfe mithelfen, grosse Investi- Region sehr unterschiedlich, doch alle scheinlichkeit der Mangellage redu- fen, Firmen doppelt zu belasten. Sie
tionen zu finanzieren. Alpbetriebe in der ganzen Schweiz sind ziert werden sollen. gehen Sparverpflichtungen ein und
gefordert. «Ich empfehle allen Älplerin- dann wird ihr Strombezug auch noch
Ohne Wasser läuft nichts auf der Alp. nen und Älplern dringend, jetzt die Si- Aber auch für die Reduktion des eingeschränkt, so das Amt.
Nicht nur das Vieh hat Durst, auch Be- cherstellung der künftigen Wasserver- potenziellen Schadens trat die Wirt-
triebe wie Alpkäsereien und Alpbeizen sorgung anzugehen», sagt Leslie Berger, schaft ein. Etwa: Schon im ersten Auch die anderen Vorschläge der
sind auf genügend Wasser angewiesen, Projektleiterin Landwirtschaft bei der Quartal dieses Jahres forderten der Wirtschaft zum Risikomanagement
das zudem noch sauber sein muss. Bis- Schweizer Berghilfe. «Warten Sie nicht Schweizerische Gewerbeverband will das Bundesamt für «wirtschaftli-
lang war Wasser in den meisten Bergre- auf den nächsten trockenen Sommer! sgv und andere Arbeitgeberorga- che» Landesversorgung nicht. Diese
gionen der Schweiz mehr als genug vor- Solche Projekte dauern in der Planung nisationen den Bund auf, Vorberei- Handlanger der Stromwirtschaft ge-
handen. Doch der Klimawandel bringt und Umsetzung oft lange.» Das Ziel der tungsarbeiten für die Flexibilisierung ben mehr zu, als nur kein Risikoma-
vermehrt lange Trockenperioden und Zusammenarbeit der Agridea und der der Kurzarbeit in Angriff zu nehmen. nagement zu kennen. Sie scheinen
Hitze. Fehlt dann wegen wenig Schnee- Schweizer Berghilfe ist überall gleich: Sollte es zur Mangellage und damit sogar auch noch den Schaden maxi-
fall im Winter auch noch das Schmelz- Älplerinnen und Älpler, aber auch Alp- auch zum Stopp der Wirtschaft kom- mieren zu wollen.
wasser – dann sitzen plötzlich auch besitzer und Beraterinnen sollen von men, müssen die Einkommen der
Alpen auf dem Trockenen, die früher nie den Erfahrungen und dem Wissen die- Menschen bis zu einem Grad garan- Die Widersprüchlichkeiten enden
mit Wassermangel zu kämpfen hatten. ser fünf zukunftsgerichteten Projekte tiert bleiben. Das mindert den Scha- nicht hier. Das Staatssekretariat für
profitieren können. Die Beschriebe der den. Wirtschaft seco, übrigens im glei-
Vor diesem Hintergrund wird ein spar- fünf Alpen und ihrer erfolgreich um- chen Departement untergebracht wie
samer Umgang mit Wasser und eine cle- gesetzten Projekte findet man unter Was der Schaden erst recht mindert, das Bundesamt für wirtschaftliche
vere Wassersammlung und -verteilung berghilfe.ch/wasser. sind die Branchenpläne. Gemäss die- Landesversorgung, ist grundsätz-
auf den Alpen immer wichtiger. Was sem Vorschlag sollen Branchen oder lich gegen Energiesparmassnahmen.
ist zu tun, um die neuen Herausforde- Oft Unterstützung bei der Wertschöpfungsketten verbindliche Dieses Amt verschickte nämlich eine
rungen meistern zu können? Antwor- Finanzierung nötig Energie-Sparvereinbarungen mit dem Information an Betriebe mit Warnun-
ten auf diese Frage liefert eine von der Die vorgestellten Lösungsansätze haben Bundesamt für wirtschaftliche Lan- gen vor den zwei wichtigsten Energie-
Schweizer Berghilfe und der landwirt- einige Gemeinsamkeiten. Sie wirken desversorgung erarbeiten können. sparmassnahmen, Temperaturabsen-
schaftlichen Beratungszentrale Agridea langfristig, und sie erfordern manchmal kung und Lüftung. Offenbar führen 19
initiierte Studie. Dazu nahmen Agridea- grosse Investitionen. Diese überstei- Unternehmen, die diese Sparpläne Grad im Betrieb zu Kopfweh, so das
Mitarbeitende fünf Alpen aus der gan- gen oft die finanziellen Möglichkeiten umsetzen, um die Vereinbarungen seco.
zen Schweiz unter die Lupe und zeigen von Älplerinnen und Älplern oder Alp- zu erfüllen, sollen von weiteren Be-
auf, mit welchen sehr unterschiedlichen gemeinschaften. In solchen Fällen über- wirtschaftungsmassnahmen gemäss So viel Widerspruch verträgt es in kei-
Massnahmen diese die neuen Herausfor- nimmt die Schweizer Berghilfe mit Notverordnung möglichst ausgenom- ner Krise. Die Wirtschaft musste be-
derungen anpackten. Die Palette reicht teilweise namhaften A-fonds-perdu-Bei- men werden, insbesondere aus den reits die Kosten und Auswirkungen
dabei von der Erschliessung neuer Quel- trägen die schwierige Restfinanzierung. Verboten und Einschränkungen ein- der Covid-19 Pandemie tragen. Sie
len über den Bau von Wasserreservoirs Gesuche können direkt online auf berg- zelner Aktivitäten beziehungsweise kann und will nicht, auch noch die
oder der Installation einer Solarpumpe hilfe.ch eingereicht werden. der Nutzung einzelner Geräte. Denn Kosten der Energiemangellage schul-
bis hin zum Aushub eines Speichersees. pd die Notverordnungen, die im Fall einer tern. Die Energiemangellage ist ein
Mangellage in Kraft treten, sind ein Staatsversagen. Das Risikomanage-
Alp Selamatt im knallhartes Verzichtsprogramm. ment im Departement Parmelin ist auf
Toggenburg nutzt bei Bedarf Be- Die Schweizer Berghilfe ist eine dem besten Weg dazu, auch eines zu
schneiungsanlage ausschliesslich durch Spenden fi- Mit diesen Vorschlägen will die Wirt- werden.
Auf der Alp Selamatt im Toggenburg nanzierte Stiftung mit dem Ziel, die schaft ein Energiemangellage-Risiko-
schafften neue Reservoirs und der Ersatz Existenzgrundlagen und Lebens- management auf der Bundesebene
des undichten Leitungsnetzes Abhilfe. bedingungen der Schweizer Berg- aufbauen. Doch wie der Bund darauf
Ausserdem konnte mit dem benachbar- bevölkerung zu verbessern. Die reagiert, ist widersprüchlich und un-
ten Skigebiet eine Abmachung getroffen Unterstützung der Schweizer Berg- klug.
werden, dass bei extremer Trockenheit hilfe löst ein Mehrfaches an Inves-
die Infrastruktur der Beschneiungsan- titionen aus, die primär beim loka- Zum Beispiel Branchenpläne: Das Ihre Meinung zu diesem Thema inter-
lage genutzt werden darf. Auf der Alp Le len Gewerbe Wertschöpfung und Bundesamt für wirtschaftliche Lan- essiert uns. Schreiben Sie per Mail an:
Suchet im Waadtländer Jura wiederum Arbeitsplätze schaffen. Die Schwei- desversorgung gab vor, auf den Vor- schneider@umweltzeitung.ch
waren andere Lösungen gefragt. Dort zer Berghilfe trägt das Gütesiegel schlag einzutreten. Doch es verän-
gibt es kein Oberflächenwasser und es der Stiftung Zewo. derte ihn bis zur Unkenntlichkeit. Das
musste schon seit je das gesammelte