Page 3 - Baselbieter Woche Waldenburg - KW 10 - 2021

DIENSTAG, 9. MÄRZ 2021
FORTSETZUNG
Bild: zVg. A. Walker, Fotograf: W. Surbeck
Andreas Walker – Der Futurologe berät Politik, Behörde, Wirtschaft und NPOs zu Fragen zukünftiger Chancen und
Risiken, Handlungsoptionen und Entscheidungsbedarf
Sei es in der Marktforschung, in schon darüber berichtet. Wel- hängig ist. Wenn wir von Start-
der Produkteentwicklung oder che Megatrends werden auf uns ups und Zukunftstechnologien
in der Stadt- und Verkehrs- zukommen? sprechen wollen, dann müssen
planung. Ich arbeite häufig als Andreas Walker: In der Fach- wir zudem endlich Lösungen für
Strategiecoach für Geschäftslei- welt reden wir von rund 150 die Finanzierung des Wagniska-
tungen oder Politiker. Ich sen- Megatrends, bei einem konkre- pitals finden.
sibilisiere für Chancen und Ri- ten Projekt kann ein Dutzend
siken, weise auf Lösungen hin berücksichtigt werden. Der Inwiefern ist die ständige Neu-
und helfe bei der Umsetzung. wichtigste ist wohl, dass wir alle orientierung im Mediennut-
Ich schreibe Studien und be- zusammen älter werden. Damit zungsverhalten der diversen
gleite Innovationsteams. Dazu hängt der Megatrend Gesund- Anspruchsgruppen für die Zu-
referiere ich an Events und heit eng zusammen. Auch die kunftsforschung von Bedeu-
schreibe Artikel. Digitalisierung beschäftigt uns tung? Das Kommunikations-
intensiv und schafft neue Mög- verhalten und die Mediennut-
Wir befinden uns in einer Zeit lichkeiten. Oder dass wir zu zung wird immer heterogener
von Disruptionen und neuen einer Null-Risiko-Gesellschaft und auf Mikrozielgruppen mit
Entwicklungen. Eine aktuelle werden. Legen wir diese Mega- gerichtet. Mikro Influencing,
Disruption ist Corona. Eine trends übereinander, dann ver- Filterblasen... das ist die Rea-
Neugestaltung der Welt findet stehen wir die Corona-Krise lität.
unter anderem durch Globali- ganz neu. Die wachsende Be- Andreas Walker: Marketing und
sierung, Digitalisierung, durch deutung der Frauen in Wirt- Werbung sind messbar gewor-
demografische aber auch durch schaft, Politik und Öffentlich- den, wir können Filterblasen
gesellschaftliche Veränderun- keit ist ein anderer Megatrend. definieren und Conversion Ra-
gen statt. Arbeitswelten verän- Dies verändert unser Verständ- tes berechnen. Vieles ist mög-
dern sich und man könnte fast nis von Familie. Nehmen wir lich geworden. Doch damit Big-
von einem «Revival des mo- nun die Vielzahl an Apps in den Data funktioniert, braucht es
deraten Sozialdarwinismus» Social Media oder digitale Da- sehr viele Daten, so wie bei goo- ben und viel zu gross: So steckt legen drehen ab der Bestellwut
sprechen. Wie sehen Sie die ting Plattformen wie Tinder, gle, facebook oder einer inter-
Tendenzen für die mittelfris- dann sehen wir, wie Kommuni- nationalen Bank. Das dann auf
tige Zukunft weltweit, in der kation, Beziehungsformen und ein regionales KMU zu übertra-
Schweiz und in der Metropoli- Werte sich stark ändern. gen, ist nicht so einfach.
tanregion Basel?
Andreas Walker: Disruption Als «Mann der Region» beob- Sollen wir nun mit Angst
bedeutet Überraschung und achten Sie auch die Entwicklun- oder Hoffnung in die Zukunft
Bruch. Spielregeln und Erfolgs- gen und künftigen Perspektiven schauen?
faktoren werden plötzlich und im Grossraum Basel und Drei- Andreas Walker: 2009 habe
massiv geändert. Globalisie- land. Wie ist Ihre Einschätzung, ich das Hoffnungsbarometer
rung und Digitalisierung sind in welchen Bereichen sich in der als Antwort auf das Sorgenba-
schon lange erkennbar und ge- Nordwestschweiz Disruptives rometer und das Angstbarome-
staltbar. Ich vergleiche es mit tun wird? ter gegründet. In unserer Kul-
dem «schwarzen Schwan». Andreas Walker: Es ist interes- tur sind wir sehr vorsichtig und
Dies ist eine Überraschung, sant, wie sich unsere Region auf daraus ist eine Null-Risiko-Kul-
die wir nicht kommen sehen, ihrer Vergangenheit ausruht. tur geworden. Angst ist eine na-
weil sie neu und unbekannt ist. Wir verlassen uns auf die Life türliche Emotion, Hoffnung und
Aber Corona ist ein «schwarzer Science-Branche als Trumpf. Mut dagegen sind Haltungen, für
Elefant». Wir sprechen schon Gesundheit ist auch einer der die wir uns entscheiden müssen
lange von der Gefahr von Pan- wichtigsten Megatrends. Doch und die wir dann fördern kön-
demien, aber haben dies nicht wenn wir nun von der zukünf- nen. Wir wissen aber wissen-
ernst genommen und wichtige tigen Bedeutung von syntheti- schaftlich noch sehr wenig, wie
Vorbereitungen unterschätzt. scher Biologie, Gentechnolo- Hoffnung wirkt. Ich habe mich
Es geht nicht nur um Überra- gie und BigData im Zusammen- entschieden, hoffnungsvoll an
schungen, sondern um das Hin- hang mit elektronischen Patien- einer guten Zukunft zu arbeiten,
schauen, wo wir Veränderun- tendossiers reden, müssen wir die für meine Kinder und Enkel-
gen erkennen. uns fragen, ob wir ethisch und kinder lebenswert sein wird.
politisch offen dafür sind. Co-
Dabei spricht man von den rona hat uns zudem gezeigt, wie
grossen Veränderungen als unsere Region von der Grenz-
Megatrends. Wir haben auch frage und Internationalität ab- DaC, JoW, AWa
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Mit spitzer Feder …
Verflixt und
zugeschweisst!
To-Go-Kaffeebecher, To-Go- ben lang belgeitet, sind die so-
Nudelbecher, Weinflaschen, genannten Blister-Verpackun-
Bierbüchsen und vor allem gen. Sie sind so sicher und hy-
die grossen, sperrigen Piz- gienisch konzipiert, dass sie
zakartons: Öffentliche Müllei- eine Gefahr für die Konsumen-
mer quellen seit Monaten über. ten und unmöglich zu öffnen
Auch in privaten Haushalten tür- sind. Diese unhandlichen Si-
men sich Altpapier, Pappkar- cherheitsverpackungen lassen
tons und Kunststoffverpackun- sich selbst mit scharfen Gegen-
gen. Die Corona-Krise hat die ständen nur schwer öffnen –
Verpackungsflut deutlich an- selbst mit Schere, Messer, Do-
steigen lassen. Der Lockdown senöffner oder schwerem Gerät
führte unter anderem zu mehr aus dem Baumarkt lässt sie sich
Serviceverpackungen für Essen kaum entfernen. Zudem bergen
und Getränke. Die Einkäufe im die scharfen Klingen ein hohes
Netz boomen und führen zu Ab- Verletzungsrisiko, und wenn
fallbergen bei den Kunden. Da- man nicht aufpasst wird man
mit wird der schon länger an- zum Verpackungsopfer.
haltende Trend zu mehr Verpa-
ckungsverbrauch auf die Spitze Überall wird nach Umwelt-
getrieben. Ich bin als Ordnungs- schutz, Energieeffizienz, Res-
fanatikerin keine grosse Freun- sourcenschonung geschrien.
din des Onlinehandels. Wenn Und dann dieser Verpackungs-
der Pöstler an der Haustüre wahnsinn im Onlinehandel, der
klingelt, ist das für viele eine will- so quasi als Handel der Zukunft
kommene Abwechslung im Ho- gepriesen wird. Dann erklärt mir
meoffice und die Vorfreude aufs mal bitte, wie diese Abfallwelle
Auspacken ist gross. Nicht so mit dem Klimawandel zu ver-
bei mir. Ich bin gespannt wie einbaren ist? Dabei haben di-
eine Feder und nehme das verse Händler im Zuge der Di-
Packet jeweils mit Argusau- gitalisierung vollautomatische
gen in Empfang. Dabei fürchte Verpackungsmaschinen ange-
ich mich vor der lästigen Ab- schafft. Die Roboter schneiden
fallflut, die ich direkt – und erst und falten die Kartonschach-
noch freiwillig – in die Stube ge- tel nach Mass auf den jeweili-
liefert bekomme. Denn bereits gen Artikel zu. Füllmaterial aus
beim Öffnen erlischt die Vor- Plastik und Styropor braucht es
freude ziemlich schnell und en- dabei nicht mehr. Das spart Ab-
det zwischen Entsetzen und Er- fall. Doch das Virus bringt selbst
staunen. Die Verpackung ist in diese Verpackungsroboter der
90 Prozent der bestellten Wa- Onlineshops an den Anschlag.
ren überdimensional, übertrie- «Packy» und seine Roboterkol-
der sechzig Zentimeter grosse von Herrn und Frau Schwei-
Tennisschläger in einer überdi- zer im roten Bereich. Dies wie-
mensional breiten Schachtel, derum führt dazu, dass wir zu-
die winzig kleine Vorhangleiter in hause auf unnötigen Abfallber-
einer viel zu grossen Box. Yoga- gen sitzen bleiben. Gemäss On-
matte und Duschvorhang sind linehändler wird daher auf die alt
umhüllt von einer ersten Verpa- bewährte Handarbeit zurückge-
ckung und stecken wiederum in griffen – allerdings mit mittel-
einem viel zu grossen Karton, mässigem Erfolg. Die Angestell-
wie ein Set Babuschka Matro- ten am Förderband haben nicht
schka-Puppenspielzeug. Doch immer ein glückliches Händ-
nicht genug: Lange, mit Luft ge- chen und noch viel weniger ge-
füllte Plastikschlangen oder an- nügend Augenmass bezüglich
deres Material füllen jeweils den passgenauer Paketgrösse. Ihre
Leerraum und schützen die Devis: Lieber ein unpassender
Ware, die gar nicht zerbrechlich Karton als zu spät liefern. Kritik
ist. In solchen Momenten muss und negative Kundenreaktionen
ich mich beherrschen, dass ich nehmen sie dabei in Kauf.
nicht Schnapp-Atmung, kom-
biniert mit einem Schreikrampf, Mein Fazit: Läden und Detaillis-
bekomme, und den ganzen Ab- ten vor der Haustüre unterstüt-
fallberg zurück an den Absen- zen – Gott sei Dank ist das ab
der schicke – mit dem Vermerk: sofort wieder via Haupteingang
«Hättet ihr nicht noch eine grös- möglich!
sere Schachtel gehabt mit et-
was mehr Plastik?». Herzlichst,
Ihre Corinne Remund
Ein ganz besonderes Ärgernis, Verlagsredaktorin
das wohl oder übel die meisten
von uns ein Kosumenten-Le-