Page 3 - Baselland Woche Laufen - KW 14 - 2021
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DIENSTAG, 6. APRIL 2021 SEITE 3
FORTSETZUNG
Die Agenden seien leerer gewor-
den, die Reisezeiten hätten ab-,
aber gleichzeitig die Effizienz Mit spitzer Feder …
zugenommen. Diese Entwick-
lung sei positiv, auch wenn per-
sönliche Treffen meist nicht er-
setzbar seien. Entrümpeln war
Reduktion der Lärm- und gestern – Shoppen
Luftbelastung
Brigitte Meyer hat auch noch ist heute!
anderes Positives zu berich-
ten: Dank Homeoffice und Vi-
deokonferenzen reduzierte sich Mit einem grossen Andrang läu- beruhigten Monaten dürsten viele
das Verkehrsaufkommen ins- teten Konsumenten den ersten nach ein wenig Exzess, notfalls
gesamt, was zu einer Entlas- Tag nach dem Ende des zwei- auch via virtuellen Einkaufskorb.
tung der Hauptverkehrszeiten ten Laden-Lockdowns anfangs Psychologen liefern dazu plau-
und zu einer nachweislichen März ein. Lange Schlangen bil- sible Erklärungen für das gestei-
Reduktion der Lärm- und Luft- deten sich vor den Ikea-Stores, gerte Kundenbedürfnis während
belastung führte. Auch die An- dem Shoppi Tivoli in Spreitenbach der Krise: Kaufen sei ein Versuch,
zahl der Verkehrsunfälle habe Bild: PEXELS und vor dem H&M an der Zürcher die Kontrolle zurückzugewinnen.
deutlich abgenommen. Die aus- Ein Innovationsschub ohnegleichen und viele Erkenntnisse in Wissenschaft Bahnhofstrasse. Auch die Pande- Der Bestellbutton als tröstender
gewogene Mischung der Ver- und Forschung – das sind einige Beispiele von positiven Auswirkungen der mie kann daran nichts ändern – Beweis, dass es auf dieser Welt
kehrsmittel habe sich in der Corona-Pandemie. bei vielen ist das Shooping-Fieber noch Dinge gibt, die so funktio-
Covid-19-Pandemie bewährt. ausgebrochen. Dies ganz nach nieren wie wir uns das vorstellen.
Der Rückgang beim öffentli- Sport- und Freizeit- ganzen Atmosphäre im Klas- dem Motto «Entrümpeln, das war Ebenso ist der Kaufrausch ein Akt
chen Verkehr konnte zu einem möglichkeiten in senzimmer kann er nie und in der ersten Welle. Jetzt shoppen des Optimismus – wer sich jetzt
wesentlichen Teil vom umwelt- der Region – «reloaded» nimmer ersetzen. wir». Ich, die ohne Einschränkun- mit elegantem Schuh eindeckt,
freundlichen Veloverkehr auf- Die Generalsekretärin im De- gen durchgearbeitet und vor Ort glaubt daran, dass es bald wie-
gefangen werden. Das vermin- partement für Wirtschaft, So- Viele Baslerinnen und Bas- die Stellung gehalten habe, be- der Gelegenheit gibt, sich feinzu-
derte Verkehrsaufkommen ziales und Umwelt des Kantons ler haben in der Zeit des Lock- komme nach dem Lockdown je- machen.
wirkte sich auch in einer bes- Basel-Stadt erkannte auch ein downs und der beschränkten weils einen Schub von Klaustro-
seren Luftqualität aus, insbe- hohes Mass an Einsatzbereit- Reisemöglichkeiten die vielfäl- phobie. Nur mit Mühe gewöhne Wir wollen also kaufen. Ist das
sondere mit weniger Stickoxi- schaft bei vielen Menschen – tigen Sport- und Freizeitmög- ich mich wieder daran, dass die schlimm? Nein. Die Wirtschaft an-
den entlang der Strassen. «Bei auch bei Lehrpersonen: Trotz lichkeiten in der Region für Einkaufsmeilen und Strassen nicht kurbeln und den gebeutelten De-
anderen Schadstoffen wie dem vieler eingreifender Schritte im sich entdeckt. Die Zahl der Per- leergefegt sind. Momentan hat es taillisten unter die Arme greifen,
Feinstaub hat die Belastung je- Bildungswesen bleibe ihr die sonen, die Erholung im Wald, in überall Menschen. Da wird gestö- ist wohl das Beste, was wir tun
doch kaum abgenommen, da grosse Einsatzbereitschaft der der Landschaft suchten, auch bert, begutachtet, probiert, ent- können. Dabei gilt es auch nach-
noch andere Emissionsquel- Lehrpersonen positiv in Erin- auf und in den Gewässern, sei deckt, gerempelt, gestresst etc. sichtig mit uns selbst zu sein. Die-
len als der Strassenverkehr da- nerung. Aber: Auch wenn der deutlich angestiegen und habe Das kollektive «Packen wir`s an!» ser Frühling ist auch für mich –
für verantwortlich sind», so Bri- Fernunterricht funktioniert – zu einer anderen Wahrneh- und Entrümpeln im letzten Früh- obwohl ich als Ordnungsfanati-
gitte Meyer. den Präsenzunterricht mit der mung der Schönheiten in der ling ist schon lange vorbei. Kleider kerin nicht meine Wohnung auf
unmittelbaren Region geführt, und Schränke sind ausgeräumt den Kopf gestellt habe, weil es
stellt Brigitte Meyer fest. Auch und der getaktete, überfrachtete schlichtweg nichts aufzuräumen
Die Top-4 der wenn die Mehrbelastung zu- Alltag ist längst entschleunigt. Die gab – anders. Er symbolisiert das
positiven Nebenerscheinungen weilen zu Missständen (Litte- Pause aus der Überflussgesell- Licht eines langen, dunklen Tun-
schaft scheint vorbei zu sein. «Es nels. Und so liebäugle ich damit,
ring) und Überlastung (Kultu-
ren, Wildtiere) geführt hätte, geht auch ohne Konsum» – das meine vorwiegend schwarz, grau
Fortschritt in der Biotechnologie dürfte die «Wiederentdeckung war gestern! und dunkel gehaltene Garderobe
Die neuartigen RNA-Impfstoffe gegen das Coronavirus sind des Naherholungsgebiets Ba- mit neuen, knalligen Farben auf-
die ersten ihrer Art und wurden un-glaublich schnell entwi- sel und Umgebung» positive Ef- Viele sitzen in ihren aufgeräum- zupeppen. Corona zu verdanken
ckelt. Der bisherige Rekord für die Entwicklung von Impfstof- fekte bezüglich Wichtigkeit und ten Wohnungen und schauen in sind auch die vielen Grünpflan-
fen lag bei vier Jahren, und das war in den 1960er-Jahren. Wert der nutzbaren und zu- ihre ordentlichen Schränke, aber zen und Sukkulenten, die meine
Während der Corona-Pandemie haben Forscher gleich meh- gänglichen Landschaft haben. das Hygge-Gefühl will sich trotz- Fensterbank zieren. Der Gang
rere wirksame Impfstoffe in weniger als einem Jahr entwi- Dass das Nahe sein Gutes habe, dem nicht einstellen. Stattdes- ins Blumengeschäft war für mich
ckelt. Durch den «Boom» in Sachen Biotechnologie und For- zeigte sich auch in der verstärk- sen diese leichte innere Unruhe. aber viel mehr, als mir bloss eine
schung generell werden auch flankierende Mehrwerte ge- ten Nachfrage nach Freizeitgär- Dieses Gefühl, auf die Piste zu grüne Oase in der Stube einzu-
schaffen wie beispielsweise die Entwicklung von Impfstoffen ten. müssen, etwas da draussen ver- richten. Sozialer Kontakt und Psy-
für andere Krankheiten. passen zu können. Dabei helfen chohygiene standen dabei im Vor-
Und zu guter Letzt: Während auch die entschleunigenden «Ich- dergrund. Denn allein schon der
der Covid-19-Pandemie wur- mach-was-mit-den-Händen»- Austausch und das Plaudern mit
Digitalisierungs-Booster den in rascher Zeit zahlreiche Dinge nicht mehr. Jetzt steht vie- der Floristin ist ein Höhepunkt im
Durch einer besseren digitalen Infrastruktur, neue (Soft- Massnahmen zum Gesundheits- len, der «in den vier Wänden Ein- Corona-Alltag eines Singles. Un-
ware-)Tools und einer Steigerung der digitalen Anwender- schutz entwickelt und umge- geschlossenen» – ich gehöre nicht ter demselben Kapitel abgebucht
kompetenz werden auch jenen Leuten neue Möglichkeiten setzt bezüglich Schutzmaterial, dazu – der Sinn nach oberflächli- werden können auch die zahlrei-
geboten, die bisher als Digitale Dinosaurier galten. Sowohl Hygiene, Unterbringung, Kont- cher Zerstreuung. Und sei es ziel- chen Tulpensträusse, die ich mir
im privaten wie auch im beruflichen Umfeld. rollen, Testung, Contact Tracing los durch Geschäfte und Shop- gleich bundweise wöchentlich in
und Impfung. Im Kanton konn- pingmeilen zu schlendern, Dinge die Stube hole. Corona macht ja
Innovation, Erfindergeist, Anpassungsfähigkeit, ten niederschwellige Testmög- anzuschauen, die man sich nicht verheerend dumpf. Man lebt so
leisten kann, respektive auf Pump dahin, nimmt überhaupt alles mit
Resilienz lichkeiten aufgebaut werden kauft. Also her mit dem Desig- viel Gelassenheit so hin. Die Tage
mit einem Testzentrum und An-
Vieles ist «inklusiver» geworden. Die Zusammenarbeit mit geboten in Apotheken, Labors nerhocker und der überteuerten fliessen ineinander zu einem einzi-
anderen Fachstellen hat sich branchen-übergreifend verbes- und Praxen. Brigitte Meyer: Porzellanvase, und eine schicke, gen, klebrigen, unübersichtlichen,
sert, weil man die Notwendigkeiten erkannte. «Mit dem Verbundkonzept der neue Hose für die Zeit nach dem sich ständig wiederholenden Co-
Spitäler können die Kapazitäten Homeoffice ist jetzt unabdingbar. rona-Teppich. Aber dann der
Transparenz in vielen Lebensbereichen der Isolierstationen sowie der Man schämt sich erst ein wenig – Farbtupfer: Tulpen und Primeln –
Die Datentransparenz ist ein Gewinn für die Gesellschaft. Intensivpflegeplätze bedarfs- hält man es wirklich ohne Konsum bunt, fröhlich, keck und hoff-
Auch wenn diese teilweise schmerzhafte Erkenntnisse mit gerecht bereitgestellt werden. nicht aus? – und stellt dann fest: nungsvoll. Eben Frühling – Hoff-
sich bringt. Transparenz wurde bezüglich Forschung, Wis- Dank der guten Nachbarschaft Anderen geht es ähnlich. Fragt nung, Optimismus. Die mildern
Temperaturen, die ersten Son-
man im Bekanntenkreis nach, be-
senschaft, Gesellschaft oder gegenüber dem politischen All- übernahmen die drei Kantone richten viele von einer grossen, nenstrahlen auf der Haut sind das
tag mehr gelebt und auch gefordert. Der Wissenshunger ist Basel-Stadt, Basel-Landschaft unbändigen Lust zu shoppen, und Pünktchen auf dem i für mich –
spürbar gestiegen. Leider aber wurde auch viel Halbwis- und Jura im März 2020 je zwei zwar nicht in erster Linie die prak- Corona hin oder her.
sen verbreitet und Verschwörungstheorien geschmiedet. Da schwer an Covid-19 erkrankte tischen, nützlichen Dinge – vom
wurde die gelebte Transparenz gewissermassen für eigene Patienten aus dem Elsass in In- Grossverteiler haben wir die Nase Herzlichst,
tensivpflege.»
Zwecke pervertiert. voll –, sondern: Schönes, Luxuri- Ihre Corinne Remund
JoW öses. Nach den langen zwangs- Verlagsredaktorin
JoW/DaC